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Samstag, 12. Februar 2011, 19:21

Fundsachen

Glück
Über das Gehen – Betrachtungen eines Rollstuhlfahrers
Von Walter B ⋅ 9. Dezember 2010 ⋅ Schreibe einen Kommentar
Tags: Fußgänger, Rollstuhlfahrer
Wenn man wie ich fast sein ganzes Leben im Rollstuhl verbracht hat, schaut man oft verwundert, manchmal sogar etwas befremdet auf das, was Fussgänger auszeichnet: das Gehen. Die Verwunderung ist nicht weniger gross als bei den Fussgängern, wenn sie einen Rollifahrer erblicken. Sie hat bestimmt nichts Abschätziges – weder beim Fussgänger noch beim Rollifahrer. Trotzdem ist der Fussgänger froh, dass er nicht im Rollstuhl sitzen muss, und mancher Rollifahrer, dass er …
Lassen Sie mich das erklären: Haben Sie schon mal genau hingeschaut, wenn ein Fussgänger schreitet, läuft, schlendert oder von mir aus auch flaniert? Sieht das nicht so aus, wie wenn eine unsichtbare Hand eine Marionette durch die Gegend führte – oder gar einen Hampelmann? Die Beine werden abwechselnd nach vorne geschleudert, die Arme baumeln unbeteiligt oder im Gegenrhythmus. Und der Kopf wippt lustig dazu. Dabei sind die Blicke der Fussgänger meist starr auf ein vorgestelltes Ziel gerichtet, als ginge jeder durch seinen eigenen Tunnel – oder als fehlte es der unsichtbaren Hand an Kunstfertigkeit. Begleitet ist dieser doch recht komische Auftritt von einem langweiligen Schlurfen oder einem aufdringlichen „Tack, tack, tack, tack“. Richtig komisch wird es, wenn die Fussgänger – unter uns manchmal etwas abschätzig Fussis genannt – rennen, und geradezu unerträglich, wenn sie marschieren.
Und nun vergleichen Sie das mit dem majestätischen Dahingleiten eines Rollstuhlfahrers. Kein Geräusch ist zu hören, die Bewegungen der Arme geben einen wirklichen Sinn. Und es ist kaum vorstellbar, dass er von einem unsichtbaren Marionettenspieler gelenkt sein könnte. Als Hampelmann ist er völlig ungeeignet, einfach nicht zu gebrauchen. Auch der Gleichschritt ist dem Rollifahrer völlig fremd. Oder haben Sie ihn schon marschieren gesehen? Fortrennen kann ein Rollstuhlfahrer nicht. Er muss der Wirklichkeit entgegensehen. Er kann nicht fliehen und von hinten erschossen werden. Ist das nicht Ausdruck einer gewissen Würde, vielleicht auch einer Ästhetik, die einem Fussgänger völlig abgeht?
Nein, ich möchte nicht tauschen, um nichts in der Welt.
Es liest der Ohrenschützer: Über das Gehen – Betrachtungen eines Rollstuhlfahrers
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Walter Bs Textereien
http://walbei.wordpress.com/

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