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Herzchen

kann nicht mehr ohne Board

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1

Samstag, 8. Juni 2013, 16:21

Aber ich war doch immer "pumperl-gsund" ...

Hallo Ihr Lieben,

auch ich bin neu hier und freue mich, mit Gleichgesinnten austauschen zu können. Mir tut es gut zu sehen, dass ich mit meinem "Schicksal" nicht alleine bin.

Ich bin 28 Jahre alt, wohne in Franken, habe Bankkauffrau gelernt - arbeite aber seit zwei Jahren als IT'lerin, habe seit 8 Jahren einen festen Partner aber leider keine Kinder. Es wurde vor zwei Monaten eine dilatative Kardiomyopathie mit 15 - 20 % Pumpfunktion diagnostiziert.

Meine Krankengeschichte hat eigentlich erst im April 2013 begonnen. Bis dahin war ich, wie man in Franken sagt, "pumperl-gsund". Hatte nie gesundheitliche Probleme und meine Erfahrungen mit Ärzten beschränkte sich auf Vorsorgeuntersuchungen und eine Weisheitszahn-OP ;-) Generell stand ich immer auf der Sonnenseite des Lebens (liebevoller Partner, harmonische Familie, großer Freundeskreis, guter Job, coole Kollegen, habe alles mitgenommen was ging und mein Leben in vollen Zügen genossen) ... was ich jetzt erst wirklich zu schätzen weiß!

Ich war zusammen mit einer guten Freundin auf einer vierwöchigen Amerikarundreise. Wir haben viel Sightseeing gemacht und deshalb habe ich mir auch nichts dabei gedacht, als ich im rechten Bein ein bisschen Wadenschmerzen bekam. Zunächst dachte ich, es wären Muskelkrämpfe vom vielen Gehen und ich hab mich mit Magnesium und Schmerztabletten eine Woche über Wasser gehalten. Dann aber wurde das Gehen unerträglich und ich ging in San Francisco in ein Krankenhaus. Mit meinem mittelmäßigen Englisch war das eine echte Herausforderung ;-) Dort wurde nach vier Stunden Aufenthalt und einer Rechnung von über 4.000 Dollar (man lernt dort erstmal wieder unser deutsches Gesundheitssystem zu schätzen) festgestellt, dass ich Thrombose habe. Obwohl ich bei unseren Flügen stets mit Kompressionsstrümpfe, Aspirin und viel Trinken vorgesorgt hatte. Tja, so ist das Leben ... dachte ich. Ich kam klimpflig davon und muss für sechs Monate Xarelto (ein blutverdünnendes Mittel wie Marcumar) nehmen, durfte aber unseren Urlaubsreise fortsetzen. Sie hat vom 12. April 2013 noch 1 1/2-Wochen gedauert. Nach drei - vier Tagen waren dann die Wadenschmerzen weg aber ich stellte fest, dass ich bei jeder kleinen Belastung wie Koffer schleppen oder Treppen steigen völlig aus der Puste war. Ich schob es auf die Hitze und mein neues Medikament Xarelto. Zum Schluß wurde es so schlimm, dass ich Nachts nicht mehr schlafen konnte, weil ich keine Luft mehr bekam. Ich machte mir große Sorgen, da ein Freund von mir vor einem Jahr nach einer Thrombose eine Lungenembolie bekam. Trotzdem wollte ich in Amerika nicht mehr ins Krankenhaus und ließ es einfach langsam angehen - ohne viel Sightseeingstress. Als ich dann den 15-Stunden-Horrorflug von Las Vegas nach Frankfurt überlebt hatte, hätte ich am liebsten den Boden geküsst.

Ich ging direkt vom Flughafen in das nächste Krankenhaus. Dort hörten sie schon alle Alarmglocken klingeln: Ich wurde Mittwoch, den 24. April. 2013 mit Verdacht auf Lungenembolie eingewiesen. Ich hatte enorme Luftnot und Herzrasen. Zunächst wurde EKG und Ultraschall von meinem "Thrombose-Bein" gemacht. Es wurden aber keine Thrombosen mehr festgestellt. "Entweder, die Blutpfropfen sind in die Lunge gewandert oder Xarelto hat diese schon aufgelöst" war die Aussage der Notärzte. Am nächsten Tag (Donnerstag) wurde dann Ultraschall mit der Schilddrüse gemacht. Wenn man Herzrasen hat, kann das auch mal von der Schilddrüse kommen. Meine Schilddrüse hat zwar eine Unterfunktion ist aber nicht für das Herzrasen und die Luftnot verantworlich. Dann wurde eine CT von der Lunge gemacht. Dabei wurde festgestellt, dass in der Lunge Wasser ist. Am Freitag wurde dann der entscheidende Herzultraschall gemacht. Diesen Arzt werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen: Nach bereits einer Minute, wo er mit diesem "Glitschi-Teil" über mein Herz gefahren ist, sagt er: "Ohh ohh, das sieht nicht gut aus." Er erklärte mir innerhalb zehn Minuten, dass mein Herz nur noch eine Pumpleistung von 15 -20 % habe, meine Herz massiv vergrößert wäre, dadurch die Herzklappen nicht mehr richtig schließen und mein Herz "hulla-hup" tanzt, weil es nicht im Gleichklang schlägt. Wenn sich die Herzleistung nicht verbessert, dann werde ich nie mehr arbeiten gehen, keine Kinder bekommen, einen Herzschrittmacher, dann ein künstliches Herz und dann eine Herztransplantation brauchen. Das war schon sehr harte Kost für 10 Minuten.

Am Montag darauf wurde dann ein MRT gemacht. Dort wurde die Diagnose "dilatative Kardiomyophatie" bestätigt. Ich lag insgesamt drei Wochen in dem örtlichen Krankenhaus und wurde mit Tabletten eingestellt. Dann verlegte man mich für drei Tage in die Uniklinik Würzburg um dort Herzkatheder und Herzbiospie zu machen. Mit dem Ergebnis, dass meine Herzkranzgefäße in Ordnung sind und die Erkrankung nicht auf Virenbefall zurückzuführen ist.

Die Zeit im Krankenhaus war echt übel: Ich wollte nach vier Wochen Fernreise und dreieinhalb Wochen Krankenhaus einfach nur noch nach Hause. Doch nachdem ich am 17. Mai endlich nach Hause durfte, hat mich das total geflasht: Ich stellte fest, dass ich die einfachsten Dinge des Alltags nicht mehr mühelos bewältigen kann. Duschen oder Lebensmittel einkaufen waren eine enorme Kraftanstrengung für mich. Jedesmal musste ich mich danach zwei Stunden auf's Sofa fläzen. Es war so frustrierend für mich, dass ich einen Heulkrampf nach dem anderen hatte und sich mein Partner gar nicht mehr zu helfen wusste. So langsam geht es ein bisschen aufwärts aber ich bin noch immer krank geschrieben und renne von Arzt zu Arzt.

Ich weiß gar nicht, wie es jetzt bei mir weiter geht. Ich habe soviele Fragen, auf die ich keine Antwort habe: Werde ich wieder ein halbwegs "normales" Leben haben können? Werde ich wieder arbeiten können? Muss ich mich tatsächlich von meinem Kinderwunsch verabschieden? Wenn ja, welchen Hund schaffe ich mir an ;-) Wird mein Partner bei mir bleiben (sein Leben ist schließlich auch unmittelbar davon betroffen)? Werden meine Eltern mit der Sorge um mich zurecht kommen? Werden mich meine Brüder und meine Freundinnen irgendwann mit ihren guten Ratschlägen verschonen? Wie viele Freundinnen werden in einem der Zukunft noch an meiner Seite sein? Werde ich in fünf Jahren noch leben? Sollte ich eine Vorsorgevollmacht machen? Ist ein Leben auf dem Sofa lebenswert? Soll ich mich schon jetzt um einen Schwerbehindertenausweis kümmern? Was sage ich meinem Arbeitgeber (ich weiß ja selbst nicht, ob es wieder wird)? Fragen über Fragen!

Und obwohl die Situation für mich zur Zeit ziemlich schwer ist, ist es einfach überwältigend, welche Welle der Liebe und des Mitgefühls über mich hinweg rollt!! Dieser "Schicksalsschlag" hat mir gezeigt, was in meinem Leben wirklich wichtig ist. Ich hoffe, ich kann mir dieses bewusste Leben in meinem Alltag herrüberretten und die paar lausigen Tage, Wochen, Monate oder Jahre, die mir noch beschieden sind, weiterhin in vollen Zügen genießen.
Danke, dass ich Euch meine wirren Gedanken mitteilen durfte
Euer Herzchen

Wolle

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2

Samstag, 8. Juni 2013, 20:26

Moin,

ist natürlich ein ganz schöner Hammer.

Ich weiß gar nicht, wie es jetzt bei mir weiter geht. Ich habe soviele Fragen, auf die ich keine Antwort habe: Werde ich wieder ein halbwegs "normales" Leben haben können? Werde ich wieder arbeiten können?
Nun, ich hatte einen angeborenen Herzfehler, der zwar lange Zeit gut operiert war, so dass ich ein ganz normales Leben führen konnte, aber vor ein paar Jahren hat mein Herz dann ähnlich wie Deines schlapp gemacht. Es ging mir eine Zeit lang sehr dreckig, aber dann bekam ich in Kiel eine neues Herz und jetzt geht es mir besser als je zuvor.
Ich kann alles machen, fahre 6 km in unter 20 Minuten mit dem Fahrrad, habe letzten Sommer angefangen zu Reiten etc.
Muss ich mich tatsächlich von meinem Kinderwunsch verabschieden?
Es gibt Frauen, die nach der Transplantation Kinder bekommen haben.
Wird mein Partner bei mir bleiben (sein Leben ist schließlich auch unmittelbar davon betroffen)?
So etwas kann auch zusammenschweißen.
Werden meine Eltern mit der Sorge um mich zurecht kommen?
Müssen sie, bleibt ihnen nicht sanderes übrig.
Werden mich meine Brüder und meine Freundinnen irgendwann mit ihren guten Ratschlägen verschonen?
Lies alles, was Du über das Herz in die Finger bekommen kannst und Frage den Ärzten Löche in den Bauch. Gehe offensiv mit der Sache um. Sage den Leuten, dass Du ihre Sorge um Dich verstehst aber dass sie bitte die Klappe halten mögen.
Wie viele Freundinnen werden in einem der Zukunft noch an meiner Seite sein?
Hier versagt leider meine Kristallkugel.
Werde ich in fünf Jahren noch leben?
Du kannst auch Morgen schon unter den Laster kommen. Gewiss ist es nicht, aber ich rate Dir, es Dir auf jeden Fall vorzunehmen.
"Ich will" sei Dein Zauberwort.
Sollte ich eine Vorsorgevollmacht machen?
Schaden kann es nie, Du weißt nie ,was passieren wird.
Soll ich mich schon jetzt um einen Schwerbehindertenausweis kümmern?
Ja, bringt Steuervorteile, eventuell auch verbilligte bzw. kostenlose Nutzung von Bus und Bahn etc.
Was sage ich meinem Arbeitgeber (ich weiß ja selbst nicht, ob es wieder wird)?
Die Wahrheit.
Dieser "Schicksalsschlag" hat mir gezeigt, was in meinem Leben wirklich wichtig ist.
Dann weißt Du mehr als ein Großteil der Menschheit...
Ich hoffe, ich kann mir dieses bewusste Leben in meinem Alltag herrüberretten und die paar lausigen Tage, Wochen, Monate oder Jahre, die mir noch beschieden sind, weiterhin in vollen Zügen genießen.
Wird schon werden. Halt' die Ohren steif! :thumbsup:
Grüße, Wolle

-------------------------
Meine Gesundheit ist mir zu wichtig, um sie den Ärzten zu überlassen.

olw

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3

Samstag, 8. Juni 2013, 23:02

Wurde Dir die Implantation eines Defibrillators angeraten? Bei der Diagnose eigentlich obligatorisch....

hella

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4

Sonntag, 9. Juni 2013, 00:03

Oh je! Mein Schleudersitz war langsamer als 10 min, war aber zuvor auch eher ein bequemer Sessel. Nichts deutet daruf hin, naja, rückblickend müsste man verbessern, fast nichts. Mit 33 Jahren hat es mich auch aus der Normalität katapultiert. Das ist fast 7 Jahre her. Ich lebe immer noch. Gemessen an den ersten Prognosen geht es mir gut.
Ich hatte Monate des seelischen Chaos, Wut, Trauer angesichts der vSituation und Neid, dass die anderen ihr Leben so einfach weiter leben können.
Ja, ich habe alle Vollmachten liegen. Ich habe geregelt, wie lange welchen Maßnahmen fortgeführt werden sollen. Das war ein Karftakt, aber auch wichtg. Schon deshalb, weil ich mit meinen Entscheidungen dann nicht noch die belaste, die in dieser Situation eh schon vor dem Schlimmsten stehen.
Ja, ich habe auch Freunde verloren. Nicht viele. Das waren trotzdem heftige Erfahrungen. Gerade weil man ja emotional ganz schön am Boden lang kriecht. Das Gute: Ich habe auch viele Freunde gewonnen. Habe sogar meine Liebe dadurch gefunden (hier über diese Seite ;)
Ich arbeite immer noch, merke aber Grenzen. Das Leben lieb ich und ich koste es aus. Mehr als früher. Unvernünftiger. Der erste Abend heute mit dem weichen Sommerlicht, endlich...ein Genuss.....da ist viel, viel dankbares Erleben.
Und da ist immer noch auch eine Traurigkeit. Auch die gehört dazu, aber sie dominiert nicht mein Leben. Es macht mich manchmal tieftraurig,keine Pläne mehr machen zu können. Es macht kich fix und fertig, dass schon ein weit entfernter Parkplatz vom Eingang des Supermarktes den Tag ruinieren kann und es freut mich diebisch, dass es Tage gibt, wo das auch anders ist.

Ich möchte an Wunder glauben dürfen. Die Freiheit nehm ich mir, und zwar mit aller Dickköpfigkeit, die ich kann. Nimm sie Dir auch. Vielleiicht ist das dein größtes Kapital :) :) :)

Viel Glück! Und herzlich willkommen hier!
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

;)

Herzchen

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5

Montag, 10. Juni 2013, 15:59

Hallo Wolle,
hallo olw,
hallo hella,

vielen, vielen Dank für eure Feedbacks und entschuldigt meine späte Antwort.

Danke Wolle für deine klaren Aussagen - damit kann ich etwas anfangen! Kein herumreden ... Es ist ja Wahnsinn, wie gut du die Herztransplantation überstanden hast. 6 Kilomenter in unter 20 Minuten - RESPEKT! Ich habe nur unheimliche Angst vor dem Weg, denn du schon gehen musstest. Ich glaube, ich habe da nicht die Kraft dafür: Massig Untersuchungen, zahlreiche Krankenhausaufenthalte, Ärzte die kaum zuhören, Tabletten bis zum abwinken, dieses ständige Hoffen und Bangen ... Bisher musste ich in meinem Leben noch um nichts kämpfen. Ich war immer der Meinung "Man kann nichts erzwingen und alles was sich nicht von selbst fügt, soll eben nicht sein". Aber jetzt sieht die Sache irgendwie anders aus. Ich will leben und zwar unbedingt!

Meinen Kinderwunsch werde ich wohl "ad acta" legen. Ich möchte nicht, dass mein Kind (ob leiblich oder adoptiert) mit 5 als Halbwaise dasteht. Ich weiß, das ist eine eingeschränkte Sichtweise: Ich kann auch als gesunder Mensch morgen vom Laster überfahren werden ... da hast du schon recht.

Nein, auf einen Defi wurde ich noch nicht konkret angesprochen. Im Augenblick wollen meine Medizinmänner abwarten, was die Medis noch reißen können. Die magische Grenze ist angeblich EF 30 %. Wenn ich permanent mehr als EF 30 % habe, kann zunächst auf einen Defi verzichtet werden. Macht es eigentlich Sinn, sich so ein Gerät "vorsorglich" einbauen zu lassen? Was hilft es mir, wenn ich zwar eine hohe EF-Quote habe aber dann trotzdem an plötzlichem Herztod sterbe?!

Ich war heute in der Herzinsuffizienssprechstunde. Dabei wurde Herzultraschall gemacht: EF 37 %!!!!! Freu mich wie ein Schneekönig :D

Hella, das was du beschreibst, kenne ich auch schon: Neid auf meine kerngesunden Freundinnen, deren größten Probleme ihre morgentliche Klamottenwahl ist; Trauer um meine nicht vorhandenen Kinder; Wut über mich, dass ich mich nicht schon einmal früher habe durchchecken lassen; außerdem meine extremen Stimmungsschwankungen: Von "ich will unbedingt leben und genieße einfach jeden Tag so, als es wäre es mein letzter" bis hin zu "ich packe das alles nicht und habe keine Lust zu kämpfen".

Aber ich habe auch schon die "guten" Seiten meines neuen Lebens kennen gelernt: Durch den Krankenhausgarten schlendern und bewusst den Geruch von Flieder wahrzunehmen; viele Freunde, die einfach mal vor der Haustür stehen und sich nach mir umschauen wollen; meinen Partner als starken Fels an meiner Seite zu erleben, obwohl er ein außerordentlicher Kindskopf ist; den enormen Zusammenhalt in meiner Familie zu spüren. Eigentlich kann ich mich noch immer glücklich schätzen ... ABER der Mensch ist einfach nicht gemacht zum "zufrieden sein", er/ich will immer noch mehr, mehr, mehr.

Trotzdem vielen Dank für Eure lieben, tröstenden Worte! Alles Gute für Euch

Wolle

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Montag, 10. Juni 2013, 19:25

Moin,
vielen, vielen Dank für eure Feedbacks und entschuldigt meine späte Antwort.
Schon OK, man kann nicht den ganzen Tag hier herumhängen.
Danke Wolle für deine klaren Aussagen - damit kann ich etwas anfangen! Kein herumreden ... Es ist ja Wahnsinn, wie gut du die Herztransplantation überstanden hast. 6 Kilomenter in unter 20 Minuten - RESPEKT! Ich habe nur unheimliche Angst vor dem Weg, denn du schon gehen musstest. Ich glaube, ich habe da nicht die Kraft dafür: Massig Untersuchungen, zahlreiche Krankenhausaufenthalte, Ärzte die kaum zuhören, Tabletten bis zum abwinken, dieses ständige Hoffen und Bangen ... Bisher musste ich in meinem Leben noch um nichts kämpfen. Ich war immer der Meinung "Man kann nichts erzwingen und alles was sich nicht von selbst fügt, soll eben nicht sein". Aber jetzt sieht die Sache irgendwie anders aus. Ich will leben und zwar unbedingt!
Du willst unbedingt. Das ist die beste Voraussetzung. Dann kämpfe!
Der Wille ermöglicht unglaubliches, aber wenn sich jemand aufgegeben hat,kann der beste Arzt nichts mehr machen.
Muss sagen, dass mir hier mein über 20-jähriges Kampfsporttraining geholfen hat. Da habe ich gelernt, alle Zweifel einfach abzuschalten, wenn ich mich einmal für etwas entschieden habe, und es mit allem, was ich bin und was ich habe, anzugehen.
Ärzte, die nicht zuhören, muss man am Kragen packen und so lange schütteln, bis sie zuhören.
Nach dem, was ich in diversen Foren gelesen habe, scheint es allerdings ein Nord-Südgefälle zu geben, was den Umgang von Ärzten mit den Patienten gibt. Die Uni-Klinik Kiel ist hier jedenfalls vorbildlich.
Meinen Kinderwunsch werde ich wohl "ad acta" legen. Ich möchte nicht, dass mein Kind (ob leiblich oder adoptiert) mit 5 als Halbwaise dasteht. Ich weiß, das ist eine eingeschränkte Sichtweise: Ich kann auch als gesunder Mensch morgen vom Laster überfahren werden ... da hast du schon recht.
Warum? Der "älteste" Herztransplantierte in Kiel lebt schon seit 25 Jahren mit dem zweiten Herz. M.W. ist er schon retransplantiert.
Nein, auf einen Defi wurde ich noch nicht konkret angesprochen. Im Augenblick wollen meine Medizinmänner abwarten, was die Medis noch reißen können. Die magische Grenze ist angeblich EF 30 %. Wenn ich permanent mehr als EF 30 % habe, kann zunächst auf einen Defi verzichtet werden. Macht es eigentlich Sinn, sich so ein Gerät "vorsorglich" einbauen zu lassen? Was hilft es mir, wenn ich zwar eine hohe EF-Quote habe aber dann trotzdem an plötzlichem Herztod sterbe?!
Hast Du denn Rhythmusstörungen?
Hella, das was du beschreibst, kenne ich auch schon: Neid auf meine
kerngesunden Freundinnen, deren größten Probleme ihre morgentliche
Klamottenwahl ist; Trauer um meine nicht vorhandenen Kinder; Wut über
mich, dass ich mich nicht schon einmal früher habe durchchecken lassen;
außerdem meine extremen Stimmungsschwankungen: Von "ich will unbedingt
leben und genieße einfach jeden Tag so, als es wäre es mein letzter" bis
hin zu "ich packe das alles nicht und habe keine Lust zu kämpfen".

Aber ich habe auch schon die "guten" Seiten meines neuen Lebens kennen
gelernt: Durch den Krankenhausgarten schlendern und bewusst den Geruch
von Flieder wahrzunehmen; viele Freunde, die einfach mal vor der Haustür
stehen und sich nach mir umschauen wollen; meinen Partner als starken
Fels an meiner Seite zu erleben, obwohl er ein außerordentlicher
Kindskopf ist; den enormen Zusammenhalt in meiner Familie zu spüren
Was ist der Sinn des Lebens?
Gibt es ein Leben jenseits von Germanys next Topmodel? :D
Eigentlich kann ich mich noch immer glücklich schätzen .
So issus.
Trotzdem vielen Dank für Eure lieben, tröstenden Worte! Alles Gute für Euch
Mast- und Schotbruch! Du schaffst das schon.
Als ich in der akuten Phase steckte, kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Jetzt ist es für mich nur eine kurze Episode...
Grüße, Wolle

-------------------------
Meine Gesundheit ist mir zu wichtig, um sie den Ärzten zu überlassen.

Holger5.0

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7

Dienstag, 11. Juni 2013, 11:42

Hallo Herzchen,

erstmal meinen herzlichen Glückwunsch zur Steigerung deiner EF auf 37% ..das lässt darauf schliesen das deine Medikamente gut anschlagen . Nimm dir Zeit und gönn dir viel Ruhe ..Ruhe ...und nochmals Ruhe.Ich hab auch einen langen Weg vom HTX Anwärter zum heutigen Status hinter mir ...(und das ohne Defi -habe die Zeit in der ich zwischen 18 und 35% EF lag mit einer LiveVest überbrücken können).Jetzt bin ich wieder wieder bei 45% .... :) ...gehe auch wieder arbeiten (wenn auch zum Teil in Homeoffice) gehe selber einkaufen oder mache Fahrradtouren mit meiner Familie (alles natürlich immer laangsaam und ruhig ).

Will sagen : ...nicht aufgeben ...nicht verzagen.....begrabe die Wünsche die dein Leben betreffen nicht .....schieb sie einfach mal ein bischen auf und nimm dir Zeit .

Ich wünsch dir alles Gute

Herzchen

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8

Donnerstag, 13. Juni 2013, 12:40

Hallo Wolle,
hallo Holger 5.0,

@ Wolle: Nein, ich habe keine Rythmusstörungen. Aber ich bin seit ungefähr vier Wochen vom Krankenhaus zu Hause und ich hatte in dieser Zeit schon vier bis fünf Mal dieses "Kaninchengefühl": Ich schlafe auf dem Sofa, wache abrupt auf und mein Herz klopft wie wild obwohl ich ganz ruhig daliege. Das dauert ne' Minute und dann ist der Spuk meistens vorbei. Mein Arzt meinte, es könnte Vorhofflimmern sein und dass wir das beobachten müssen. UND es gibt definitiv ein Leben jenseits von Germany's next Topmodel :D ... lol*

@Holger 5.0.: Danke für deine lieben Worte. Dein Werdegang lässt mich hoffen! Ich habe, wie viele andere hier im Forum, erstmal meine Diagnose im Internet gegoogelt und dann bin ich auch gleich auf die Prognose "innerhalb der ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung sterben 70 % aller Kardiomyopathiepatienten". Außerdem hat mein erster Arzt mir ins Gesicht gesagt, dass er mir lieber eine Krebserkrankung gewünscht hätte als diese "Herzsache", da da die Prognosen positiver sind. Ist das zu fassen?! Gibt es denn keine "Mitgefühl-Ausbildung" für Ärzte? Das hat sich so in meinen Kopf gefressen, dass ich immer wieder daran denken muss. Aber ich hab schon das halbe Forum durch :) und stelle fest, dass andere Betroffen ähnliche unüberlegte Aussagen an den Kopf geworfen bekommen haben.

Wie lange warst Du nach Diagnosestellung zu Hause bevor du wieder zu Arbeiten angefangen hast? Hast du einen Schwerbehindertenausweis? Wenn ja, mit wieviel Prozent?

Homeoffice ist ja mal richtig cool! Leider ist das bei mir nicht möglich, da ich bei einer Bank arbeite und da sehr hohe Sicherheitsvorschriften (Datenschutz, etc.) bestehen. Allerdings ist es eine große Firma und ich könnte mich jederzeit versetzen lassen. Mein Arbeitgeber ist da sehr kulant und die Personalabteilung setzt alle Hebel in Bewegung, damit ich wieder arbeiten kommen kann. Aber ich liebe meine derzeitige Tätigkeit und gerade der Außendienst und die körperliche Arbeit macht mir extrem viel Spaß. Also genau das, was ich lt. meiner Hausärztin vermeiden soll :( Aber so schnell geb' ich nicht auf.

Ich war immer aktiv, quirlig und wie mein Vater sagt "ne' Macherin". Ich mag es, Dinge voranzubringen und zu sehen, was ich mit meinen Händen alles schaffen kann. Und jetzt bin ich voll ausgebremst - mein Leben steht komplett still. Geduld war noch nie meine Stärke, aber dass ich sie mal auf eine solche harte Tour lernen muss, hätte ich nie gedacht.

Aber es wird mit jedem Tag ein Stückchen "normaler". Ich freue mich heute wie ein Schnitzel, weil ich alleine Lebensmittel einkaufen war und es ganz gut geklappt hat 8) ... yeah*

Ich wünsche Euch einen wunderschönen, sonnigen Donnerstag und bis hoffentlich bald.

Euer Herzchen

Holger5.0

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9

Freitag, 14. Juni 2013, 10:48

Hallo Herzchen,

Krankgeschrieben war ich 42 Wochen !!!!! von Anfang Januar bis Anfang November .....Ich habe allerdings schon ab Juni wieder stundenweise gearbeitet...unter dem weiten Deckmäntelchen der sogenannten Wiedereingliederung ..die Krankenkasse hat das zwar nicht wirklich gerne gesehen...weil eine Eingliederung nach deren Verständniss im Rahmen von 8-10 Wochen abgeschlossen sein sollte ....aber letztendlich ist das Verhandlungssache zwischen dir und deinem behandelnden Arzt .Ich hab angefangen mit 2-3h täglich und dann langam auf 5h hochgeschraubt.Das "zu Hause sitzen"... hat mich irre gemacht ...man kam ja gar nicht mehr aus den ewigen Gedankenschleifen -die sich hauptsächlich um die doofe DCM drehten- raus...war ich froh als ich endlich wieder im Büro saß und etwas tun konnte .

Antrag auf Schwerbehinderung habe ich im April /Mai letzen Jahres gestellt und auch auch durchbekommen...allerdings nur mit 30%..was aber wohl den gängigen Größenordnungen bei NYHAIII und <20%EF entspricht . Es sei denn du einen Defi implantiert ...dann bekommst du automatisch 50%.Ich habe dieses Thema aber letztes Jahr nicht weiterverfolgt weil ich das Ziel hatte -und auch weiterhin habe-meinen Zustand kontinuierlich zu verbessern um (fast) normal und meinen Möglichkeiten entsprechend wieder (aktiv) am Leben teilzunehmen.Trotzdem nochmals meine Empfehlung ....vor allem in der akuten Anfangsphase ->>> Ruhe ..Ruhe....und nochmals Ruhe .....auch wenn Geduld nicht zu deinen Stärken gehört (gehört auch nicht meinen Stärken ;) ) ...mach langsam und ruhig. Ich habe mir letztes Jahr ein neues Wappentier auserkoren ...heißt Schnecki ....inzwischen ist jetzt manchmal sogar ein kleines Rennschnecki draus geworden ....aber eben nur manchmal....

liebe Grüße ,

Holger

Herzlos

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10

Freitag, 14. Juni 2013, 11:16

Schönen guten Tach zusammen (Tach wird am Niederrhein so geschrieben, basta!)



Nur am Rande, für alle die sich über ihre Krankheit, Lebenserwartung und Mortalitätsrisiko bei Operationen im Internet informieren:

Lasst es!

Wenn nicht, schaut nach, wie alt die Informationen sind, wenn Ihr es herausfinden könnt.

Ich hab vor meiner Herz-OP auch nach Infos gegoogelt. Die Ergebnisse haben mich, gelinde gesagt, etwas bestürzt. Erst nach längerer Recherche hab ich herausgefunden, dass die aus dem Jahr 1970 stammten, wo die Sterblichkeit bei Herz-OP´s "geringfügig" höher lag.

Also nicht alles aus dem Internet ungefiltert glauben.

Liebe Grüße

Herzlos
Es trifft gewiß zu, daß die Hoffnung eine Gnade ist. Aber fraglos ist sie eine schwierige Gnade. Sie fordert zuweilen unsere Bereitschaft, auch im Scheitern eine Chance zu sehen, in der Niederlage eine neue Möglichkeit. Vielleicht ist die Hoffnung die letzte Weisheit der Narren.
Siegfried Lenz (*1926), dt. Schriftsteller