Lieber Alex, liebe Mitboarder,
ich bedanke mich sehr für die freundliche Aufnahme. Gerne erzähle ich mehr über meinen Krankheitsverlauf.
Mein Name ist Heiko, bin 38 Jahre alt und lebe derzeit mit meiner Freundin in der Ukraine.
Ich glaube ich war 8 oder 9 Jahre alt, als ich nach einem Rempler beim Fussball eine schlagartig einsetztende Tachykardie verspürte. Nach einiger Zeit hörte sie so schnell auf, wie sie gekommen war. Ich lernte damit umzugehen, da ich es mit Luftanhalten in den Griff bekam. Es suchte mich ca. alle zwei Monate heim, meist nach mechanischem Auslöser. Ich wurde erwachsen und im Frühjahr 1997 bekam ich fast taglich schwere, hartnäckige Anfälle. Als ich bei Ärzten vorstellig wurde, hörten die Anfälle immer auf. Und der Arzt stand meistens ratlos da. Mit einem Rezept in der Hand und einer Röntgenüberweisung verließ ich die Praxis. Der Radiologe hatte plötzlich eine Toraxaufnahme zur Hand, die ca. 2 Jahre zurücklag und von der Musterung zur Bundeswehr stammte. Er sagte sofort hier stimmt was nicht und zeigte mir beide Bilder nebeneinander, Herz ist jetzt deutlich vergrößert, muss dringend abgeklärt werden. Mein Vater spielte Chauffeur für mich an diesem Tag und promt begann ein erneuter Anfall.
Merke gerade, dass ich mal wieder zu detailiert erzähle.
Ab nach Göttingen, Kardiologe wollte sofort die Tachykardie durch Katheder zum Stoppen bringen, da keine Medikation per Injektion ansprach. Ich sah die Apparatur und bekam es mit der Angst zu tun. Ich hielt die Luft an um mein Leben und klick... Sinusrhythmus.
Ok, Krankenhaus, Medikamente... nach Hause. Wieder Anfall zurück in die Klinik... nach Hause und wieder Anfall. Kardiologe sagte gut, reicht... Termin MHH Hannover Ablation und Biopsie. Fließbandabfertigung.... alles gut, nach Haus keine Beschwerden weiter, Biopsie ohne Befund. Diagnose WPW-Syndrom und DCM.
2001 Frühjahr Anfall... Krankenhaus. Ich klapperte 4 Tage lang ununterbrochen bis zu einem Schluckecho, bei dem der Würgereiz die Tachykardie stoppte. Herzzentrum Leipzig.... Ablation... diesmal im Vorhof. Operateur sagte, null Chance mit Luftanhalten. Von nun an keine weiteren Beschwerden, typische Medikation. Ärzte in Leipzig rieten mir beruflich kürzer zu treten. Ich hatte eine Werbefirma. Ich schloss die Firma und es folgte eine Katastrophe nach der anderen. Große Forderungsausfälle, Schulden, Scheidung... keine Kohle blank, gearbeitet bis zum Umfallen und kein Geld bekommen. Private Krankenversicherung kündigte und ich stand ohne Versicherung. Es ging mir gesundheitlich soweit gut und hatte keinerlei Beschwerden. Nahm Medikamente wenn ich Geld hatte, hatte ich keines -> keine Medikamente. Nachdem mich meine eigene Familie komplett zu Grunde richtete, wurde ich krank. Es war im Februar 2007. Ich litt unter starkem Husten mit blutigem Auswurf. Mir ging es ziemlich schlecht. Trotzdem ging ich jeden morgen in meine kleine neugegründete Firma und presste ein paar Shirts um zu überleben. Ich ging in eine andere Stadt, um von meiner Familie nicht weiter behelligt zu werden. Dort lebte ich völlig allein, nur mit meiner Freundin aus der UA im Herzen und am Telefon. Auch machte mir Wasser in der Lunge schwer zu schaffen und ich kürzte die Flüssigkeitsaufnahme fast gen null. Ich wusste, am 01.April 2007 tritt ein neues Gesetz zur gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft und nahm mir fest vor, es bis dahin ohne Arzt zu schaffen.
Nein, ich schaffte es nicht. Ich wurde immer schwächer und konnte nicht mehr zur Firma fahren. Ich lag nur noch im Bett, wie ein Häufchen Elend. Wahrscheinlich hatte ich auch Fieber. Eines Abends musste ich mich übergeben und rannte ins Bad. Ein heftiger Schmerz in der rechten Wade ließ mich fast ohnmächtig werden. Ich vermutete einen Riss von irgendwas dort, durch meinen plötzlichen Antritt zur Toilette. Die Wade wurde dicker und härter und ich litt Höllenqualen (Thrombose). Am anderen Morgen nahm ich meine letzte Kraft zusammen und schleppte mich in die nächstgelegene Arztpraxis. Ich bat die Ärztin um die Verschreibung eines Mittelchens, um bald wieder arbeiten zu können. Sie sagte nur trocken, wenn Sie jetzt gehen, werden sie den morgigen Tag nicht mehr erleben. Sie entgegnete weiter, solange sie in diesem Raum stünde, würde ich nirgendwohin gehen. In diesem Moment flog auch schon die Türe auf und ein paar Minuten später lag ich in der Notaufnahme des dortigen Krankenhauses. Nun ergab ich mich meinem Schicksal und kämpfte um mein Leben. Bis zum 27. März hatte ich es geschafft, nur noch vier Tage bis zum 01.04.
Nachdem ich den Kampf gegen die Lungenembolie und Thrombose überlebt hatte, bemerkte ich, wie sich meine Leistungsfähigkeit einschränkte. Ich entschied, die Firma zu schließen und versuchte mein Leben in den Griff zu kriegen. Der Alltag wurde schwerer und schwerer. Ich wohnte im 4. Stock und die Wohnung wurde immer unerreichbarer. Einkaufen und mit den Tüten da hoch, eine Quälerei. Die Ärztin, die mir quasi das Leben rettete, begab sich mir gegenüber in eine Scheißegal-Mentalität. Sie sagte nur, ich müsse damit Leben todkrank zu sein und die Beschwerden würden auf ein Endstadium hindeuten, da könne man wenig bis gar nichts ausrichten.
Ich war schockiert und völlig von der Rolle. Dann noch der Ärger mit der ARGE und der Ärztin. Sie wollte mich nicht krankschreiben und die ARGE bestand auf ein Dokument zur Arbeitsunfähigkeit. Die Ärztin entgegnete sie würde sofort krankschreiben, wenn die eine Stelle für mich hätten. Ich schleppte mich von einem Amt zum anderen. Es fiel mir tierisch schwer Treppen zu gehen. Selbst die Aufregungen taten weh und kämpfte mit Atemnot.
Mitten in diesem Theater hielt ich inne und fragte mich, was machst Du hier eigentlich? Du bist der Spielball dieser Auseinandersetzung in totkrankem Zustand?!
Wie vom Blitz getroffen fuhr ich heim, packte meine paar Sachen. Möbel hatte ich eh keine. Ich sagte mir, ok... wenn du sterben musst, dann in den Armen deiner geliebten Freundin. Setzte mich ins Auto und fuhr wie geisteskrank durch Tage und Nächte. Nach mehr als 3000 km war ich am Ziel und brach zusammen. Ich war derart dekompensiert, dass ich glaubte, jeden Moment zu sterben. Durch viele Wochen hin erholte ich mich ganz langsam Dank der liebevollen Pflege meiner Freundin. Wir beschlossen, von nun an würde uns niemand mehr trennen. Auch die willkürlichen Visavergabepraktiken der Deutschen Botschaft in Kiev sollte uns nicht stören. Ich erzählte Ihr, wie es um mich stand und sie sagte nur, nein das wird nicht geschehen. Sie arbeitete als Lehrerin und gab Nachhilfeuntericht. Sie erhöhte ihr Stundenpensum pro Tag, um für uns beide zu sorgen.
Ich hatte nun viel Zeit nachzudenken und zu recherchieren. Durch dummen Zufall lernten wir einen Kardiologen kennen. Der checkte mich per Echo und fing an mir zu erzählen, dass keines Weges das Ende der Fahnenstange erreicht sei. Er sagte, Mensch Junge Du hast ein Riesenglück. Unsicher entgegnete ich.... ähmm... wie?! Er führte weiter aus, Junge Du hast einen deutschen Pass und hast somit therapeutische Möglichkeiten. Unsere Leute hier gehen vor die Hunde mit dieser Diagnose, wenn Sie die Kohle für die Behandlung in Deutschland nicht aufbringen können.
So, nun habe ich mir mal alles von der Seele geschrieben. Jetzt quält mich die große Frage, wie am besten die Rückkehr nach Deutschland zur Behandlung organisieren, ohne derzeit festen Wohnsitz in Deutschland. Ich wünsche mir in Heidelberg behandelt zu werden, weil die ein Kardiomyopathie Center haben. Soll ich da auftauchen und sagen hier bin ich? Keine Versicherung, keine Kohle?! Wie kann ich die Anstrengungen überstehen, ohne die Hilfe einer begleitenden Person. Meine Freundin fällt aus, weil sie mit Sicherheit als geschiedene, kinderlose Alleinreisende kein Visa bekommt.
Vielleicht könnt ihr mir ein bisschen auf die Sprünge helfen. Über einen Gedankenaustausch würde ich mich sehr freuen.
Bis bald und alles Liebe, Heiko
PS. Sorry für den Roman, wollte gar nicht soviel schreiben.